Wasserressourcen müssen so beschaffen sein, dass daraus Trinkwasser ohne Aufbereitung bzw. mit naturnahen, einfachen Aufbereitungsverfahren gewonnen werden kann
Die Vorgaben des Wasserhaushaltsgesetzes müssen bindend für das Fachrecht und die Zulassungsverfahren anderer Wirtschaftsbereiche sein. Hersteller tragen mit ihren Produkten auch Verantwortung für den Gewässerschutz und müssen zu Gefährdungsanalysen und Risikoabschätzungen verpflichtet werden. Die Einhaltung dieser Vorgaben muss im Vollzug konsequent kontrolliert werden.
Trotz umfangreicher rechtlicher Vorgaben ist eine gleichbleibend hohe oder steigende Belastung der Trinkwasserressourcen, zum Beispiel durch Nitrat oder Spurenstoffe, zu beobachten. De facto wird der konventionellen Landwirtschaft derzeit ein höherer Stellenwert eingeräumt als dem erforderlichen Schutz der Trinkwasserressourcen. Inhaltstoffe in Lifestyle-Produkten des täglichen Lebens lassen sich als Spurenstoffe oder Mikroplastikpartikel zunehmend in den Ressourcen nachweisen. Vorsorge- und Verursacherprinzip werden nicht konsequent angewendet. Die Verfolgung des Grundsatzes der naturnahen Aufbereitung des Naturproduktes Trinkwasser ist unter solchen Rahmenbedingungen nicht mehr gesichert oder wird in Zukunft sogar unmöglich.
Darüber hinaus führt dies zwangsläufig zu einer sehr deutlichen Steigerung der Kosten. Eine zunehmend komplexe Aufbereitung im Wasserwerk steht dabei nicht im Einklang mit den Grundsätzen der Minimierung, Nachhaltigkeit und Vorsorge. Die damit verbundenen Kosten aufgrund hoch technisierter Aufbereitungsverfahren werden derzeit über den Wasserpreis sozialisiert und gehen zu Lasten des Verbrauchers. Sie werden somit nicht von demjenigen getragen, der Verursacher ist.
Landwirtschaft stellt Wasserversorger zunehmend vor Probleme
Aus Sicht der Wasserversorgung ist die Flächenkonkurrenz mit der Landwirtschaft am problematischsten. 51 Prozent der Fläche in Deutschland wird landwirtschaftlich genutzt. Die Bewirtschaftungsintensität nimmt dabei immer mehr zu – und damit auch der Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln. Diese sind maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Qualität des Grundwassers in Deutschland nicht den vorgegebenen EU-Zielen entspricht und voraussichtlich auch noch längere Zeit nicht entsprechen wird. Eine besondere Herausforderung ist dabei die Nitratbelastung des Grundwassers (Mehr Informationen finden Sie auf unserer Themenseite "Nitrat im Wasser").
Der aktuelle Nitratbericht der Bundesregierung zeigt, dass rund 50 Prozent der Grundwassermessstellen eine erhöhte Nitratbelastung aufweisen. In Einzugsgebieten, in denen viele landwirtschaftliche Nutzungen vorkommen (Ackerflächen, Grünland und Sonderkulturen, wie z. B. Gemüseanbau), überschreiten circa 28 Prozent der Messstellen den gesetzlichen Schwellenwert. Düngung über das erforderliche Maß führt zu einem Nitratüberschuss im Boden. Mit dem Sickerwasser gelangt dann das leicht lösliche Nitrat in tiefergelegene Erdschichten und schließlich ins Grundwasser.
In einer durch den DVGW beauftragten Umfrage gaben bereits vor rd. 20 Jahren 48 Prozent der Wasserversorgungsunternehmen an, Probleme mit Nitrat in ihrem Zuständigkeitsbereich zu haben. Der Raumbedarf der Landwirtschaft und die Intensivierung der Flächennutzung stellt die Wasserversorger vor großen Herausforderungen. Die deutlich schlechteren Rahmenbedingungen erfordern mittlerweile selbst innerhalb von Wasserschutzgebieten wesentlich höhere Ausgaben für die Wasseraufbereitung.
Mehr als ein Drittel der Unternehmen musste demnach bereits einen Versorgungsbrunnen vom Netz nehmen, Ersatzwasser durch Lieferungen aus anderen Gebieten in Anspruch nehmen, auf tiefere Grundwasserleiter ausweichen oder die Aufbereitungstechnik anpassen. Wenn die überschüssigen Nitratemissionen aus der Landwirtschaft nicht zurückgehen, werden derartige aufwändige Maßnahmen seitens der Versorger in Zukunft noch weiter zunehmen. Entsprechend des gesetzlich vorgegebenen Grundsatzes der Kostendeckung müssten die Kosten z. B. für die Wasseraufbereitung dann auch direkt an die Verbraucher weitergegeben werden. Dies könnte nach Berechnungen des Umweltbundesamtes zu einem Anstieg des Wasserpreises um bis zu 45 Prozent führen.
Hinzu kommt: Wasseraufbereitung ist nicht nur teuer, sie ist mit Blick auf die geltende Gesetzgebung und des Vorsorgeprinzips, auch nur Maßnahme zweiter Wahl. Zuallererst muss in jedem Fall die Senkung der Eintragsbelastung stehen. Auch hier versuchen die Wasserversorger bereits heute, das Grundwasser mit unterschiedlichen Maßnahmen zu schützen. Dafür pachten sie beispielsweise Flächen und bewirtschaften diese gewässerschonend bzw. zahlen Ausgleichsbeiträge an Landwirte für die gewässerschonende Bewirtschaftung der Flächen in den Einzugsgebieten der Wassergewinnungsanlagen. Grundsätzlich gilt, dass die Stickstoffeinträge aus der Landwirtschaft deutlich reduziert werden müssen, um die gesetzlichen Vorgaben einzuhalten. Freiwillige Kooperationen reichen hierfür nicht aus.
Wandel in der Agrarpolitik ist dringend notwendig
Die im Frühjahr 2017 verabschiedete Novellierung der Düngeverordnung reicht bei weitem nicht aus, um die derzeitige hohe Nitratbelastung ernsthaft zu reduzieren. Auch die zu Jahresbeginn 2019 diskutierte, erneute Verschärfung der Verordnung ist nicht weitreichend genug, um die Wasserqualität substanziell zu verbessern. Es ist also weiterhin davon auszugehen, dass das bisherige landwirtschaftliche Fachrecht allein nicht ausreichen wird, um die Güte des Grundwassers schnell und effektiv zu verbessern. Somit muss die Wasserversorgung weiterhin durch geeignete Maßnahmen dafür sorgen, dass das Trinkwasser in Deutschland überall ohne Bedenken getrunken werden kann. Die Frage, wer für Aufwand und Kosten aufkommen muss, bleibt daher weiter aktuell. Stattdessen braucht es einen Wandel in der (Agrar-)Politik, der Gewässerschutzaspekte konsequent beachtet. Die alleinige Festlegung von Nitratobergrenzen ohne Sanktionsmöglichkeiten reicht nicht aus. Es bedarf klarer und strikter Repressionsmechanismen. Hohe Strafzahlungen bei Missachtung dürfen kein Tabu darstellen.
Vorsorge für die Trinkwasserressourcen benötigt gleichermaßen die lückenlose Verknüpfung des jeweiligen Fachrechts mit den Anforderungen des Wasserrechts und den konsequenten Abbau bestehender Vollzugsdefizite.
Der Bevölkerungs- und der Konsumwandel in Deutschland stellt auch die Wasserversorger vor Herausforderungen. Das Problem ist nicht nur, dass der Wasserverbrauch deutlich gesunken ist und daher infrastrukturelle Anpassungen mancherorts vonnöten sind, sondern vor allem der demographische Wandel mit seinen Folgeerscheinungen wie den steigenden Medikamentenkonsum aber auch immer neue Chemikalien setzen den Wasserversorgern zu. Durch die älter werdende Bevölkerung steigt der Medikamentenverbrauch in Deutschland an. Gleichzeitig sehen sich die Wasserversorger mit immer neuen Rückständen in den Gewässern, zum Beispiel aus Hygieneartikel oder neuen Industriechemikalien, konfrontiert.
Prognosen des Statistischen Bundesamtes gehen davon aus, dass die Zahl der Einwohner in Deutschland von heute etwa 80,5 Millionen auf geschätzte 65 bis 70 Millionen Menschen im Jahr 2060 abnehmen wird. Noch sind sich die Experten unsicher, wie sich der aktuelle Trend zur Zuwanderung langfristig auf die Bevölkerungszahlen auswirken wird. Sicher scheint jedoch, dass der langfristige Trend zur Alterung der Bevölkerung dadurch nicht umgekehrt wird. Laut der aktuellen Bevölkerungsvorausrechnung wird im Jahr 2060 jeder dritte Bundesbürger 65 Jahre und älter, jeder siebte sogar 80 Jahre oder älter sein.
Einhergehend mit einer alternden Gesellschaft steigt auch der Medikamentenkonsum in Deutschland kontinuierlich an. Viele Haushalte entsorgen abgelaufene Medikamente unsachgemäß über den Ausguss oder die Toilette. Die Abbauprodukte eingenommener Medikamente aus Privathaushalten, Arztpraxen, Krankenhäusern ebenso wie Abbau- und Nebenprodukte aus Produktionsanlagen der Pharmaindustrie gelangen über das Abwasser in die Kläranlagen.
Mit herkömmlichen Methoden können nicht alle Medikamentenrückstände vollständig aus dem Abwasser entfernt werden. Sie können sowohl im Klärschlamm als auch im gereinigten Abwasser verbleiben und so weiter in den natürlichen Wasserkreislauf gelangen. Auch können aus der (Nutztier-)Haltung zunehmend Veterinärarzneimittel über den Einsatz von Gülle zur Felddüngung, über die Weidehaltung oder über Aquakulturen in das Grund- und Oberflächenwasser gelangen.
Hersteller sind für Ihre Produkte und deren Auswirkung verantwortlich
Mit der Herstellung von neuen Produkten sowie durch veränderte Anwendungs- und Konsummuster wird eine Vielzahl von Stoffen in die Gewässer eingetragen. Hierbei handelt es sich nicht nur um Arzneistoffe, sondern auch um Industriechemikalien, Pflanzenbehandlungsmittel, Haushaltsmittel und Mittel zur Körperpflege. Die Vielzahl der Stoffe belegt die Tatsache, dass bereits 2015 in den Chemical Abstracts der 100 millionste Stoff gelistet wurde. Bei der Zulassung dieser Stoffe werden ökologische und toxikologische Aspekte zum Umweltverhalten berücksichtigt, die Belange der Trinkwasserversorgung spielen jedoch meist keine Rolle. Hierzu zählen insbesondere die Stoffeigenschaften Persistenz und Mobilität, da sie damit potentiell bis ins Rohwasser für die Trinkwasserversorgung gelangen können. Diese für die Wasserversorgung relevanten Stoffeigenschaften sind zukünftig zusätzlich in die Zulassungsverfahren zu integrieren. Darüber hinaus ist auch die Nebenproduktbildung durch Abbau- und Umsetzungsprozesse zu berücksichtigen.
Für die Wasserversorger steht fest: Die Verantwortung für ein Produkt endet nicht mit dem Verkauf. Hersteller haften für die Umweltauswirkungen ihrer Produkte und müssen Kostenträgerschaft übernehmen. Die strengere Prüfung auf mögliche Umweltauswirkungen ist bereits in der Produktentwicklung seitens der Hersteller und bei Zulassungsverfahren vom Gesetzgeber unerlässlich.
Nitrat aus der Landwirtschaft, Chemikalien aus der Industrie sowie Arzneimittel und Kosmetika aus den privaten Haushalten haben eines gemein: Sie alle finden sich als Belastungsstoffe in den Gewässern wieder. Insbesondere Einträge aus der Landwirtschaft haben in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Der demographische Wandel und die hohe Qualität der medizinischen Versorgung in Deutschland finden ihren – wortwörtlichen – Niederschlag in Arzneimittelrückständen in den Gewässern. Damit die vielfältigen Einträge von unerwünschten Stoffen für die Verbraucher keine Folgen haben, müssen die Wasserversorger immer mehr in die Aufbereitung des Rohwassers investieren. Die Verursacher der Verunreinigungen leisten bislang kaum einen Beitrag zu dessen Vermeidung oder Beseitigung. Die bestehenden und auf Freiwilligkeit beruhenden Kooperationen zeigen für Gesamtdeutschland diesbezüglich zu wenig Wirkung und müssen mit Blick auf den bereits jetzt bestehenden Handlungsbedarf deutlich verstärkt und verstetigt werden.
„Die Unsichtbaren – Das Plastik in uns“, „Fische trinken die Pille“, „Darmkrebs aus dem Wasserhahn“, „Wenn Viagra aus dem Wasserhahn kommt“. In den Medien, im Internet in Blogs und Online-Foren werden Spurenstoffe im Trinkwasser regelmäßig thematisiert und diskutiert. Die Diskussion ist kontrovers, zur Besonnenheit aufrufende Stimmen treffen auf Panikmacher. Industrie, Landwirtschaft, Ärzte und auch Verbraucher werden aufgezählt, wenn es um die Verursacher der Fremdstoffe im Wasser geht. Wenn es jedoch um die Beseitigung geht, zeigen Politik und Öffentlichkeit nur auf einen: den Wasserversorger.
Die durch den Menschen eingetragenen Spurenstoffe und ihre Auswirkungen auf die Wasserressourcen haben in den letzten Jahren immer mehr Aufmerksamkeit erlangt. Bedingt ist dies zum einen als Folge der Lebens-, Konsum- und Produktionsstile in unserer modernen Industriegesellschaft. Die Weiterentwicklung der Analysetechniken führt dazu, dass Spurenstoffe, die früher unerkannt blieben, auch in sehr niedrigen Konzentrationen nachgewiesen werden können. Für viele Stoffe ist die Datenlage jedoch lückenhaft. Auch ist oft nicht bekannt, welche Auswirkungen sie kurz-, mittel- und langfristig auf die Ressource Wasser haben, was ihr Vorkommen im Roh- oder Trinkwasser für Versorger und Verbraucher bedeutet, ob es Wechselwirkungen mit anderen Stoffen gibt, oder welche Risiken gegebenenfalls entstehen können.
Mit den zunehmenden sowie zunehmend erkannten, „neuen“ Stoffen im Wasser kommt auf die Wasserwirtschaft eine neue Herausforderung zu. Zum einen ist sie aufgefordert, genauere Erkenntnisse zur Menge und Zusammensetzung der Spurenstoffe zu generieren. Zum anderen soll sie dafür sorgen, dass sich die Fremdeinträge in die Trinkwasserressourcen nicht im Trinkwasser selbst wiederfinden.
Das Umweltbundesamt hat das Konzept der „Gesundheitlichen Orientierungswerte“ (GOW) für neue und noch nicht mit Grenzwerten belegte Stoffe entwickelt. Dabei wird für Stoffe, für die es noch keine vollständige Bewertung gibt, unter dem Gesichtspunkt der gesundheitlichen Vorsorge ein Orientierungswert festgelegt. Dieser wird abhängig vom Wirkmechanismus so niedrig angesetzt, dass auch bei lebenslanger Aufnahme der betreffenden Substanz über das Trinkwasser kein Anlass zur gesundheitlichen Besorgnis besteht.
Doch gesundheitliche Auswirkungen sind nicht der einzige Aspekt, der beim Umgang mit Spurenstoffen berücksichtigt werden muss. Zu den Auswirkungen auf Tier- und Pflanzenwelt, Boden oder Luft, und zur Rolle, die das Wasser als Senke oder als Verteiler der Stoffe spielt, besteht teilweise noch erheblicher Forschungsbedarf.
Generell ist für neu im Wasser auftretende Stoffe eine umfassende Gefährdungsanalyse und Risikoabschätzung sowie die Entwicklung von Handlungsleitfäden zwingend erforderlich. Das Wissen um Vorkommen, Verteilung und Wirkung der Stoffe ist notwendig, um Wege zur Vermeidung, zur Entsorgung oder zum Umgang mit den Spurenstoffen zu finden. Dazu gehört auch die Diskussion um die Vermeidbarkeit oder Unvermeidbarkeit von Einträgen. Zur besseren Erforschung der Auswirkung neuer Stoffe im Wasser auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit bedarf es vom Gesetzgeber geförderter Forschungsvorhaben.