Daseinsvorsorge braucht langfristige Sicherheit und Perspektive.
Um den Herausforderungen des Klimawandels gerecht zu werden, müssen Länder, Kommunen und Akteure der Wasserwirtschaft lokale und regionale Zukunftsbilder 2030-2050-2100 entwickeln. Die Versorger erarbeiten darauf aufbauend ihre spezifischen Versorgungs-, Vorsorge- und Krisenkonzepte.
Wohnen, Industrie, Energieversorgung, Erholung, Verkehr, Landwirtschaft – alle Sektoren in Deutschland konkurrieren um das begrenzte Gut Fläche. Die Qualität der Trinkwasserressourcen ist maßgeblich von den Nutzungen auf den jeweiligen Flächen abhängig. Bei der Abwägung der Flächennutzung hat der Schutz von Trinkwasserressourcen häufig keinen Vorrang vor rein wirtschaftlichen Interessen. Angesichts der elementaren Bedeutung des Gutes Wasser für die Daseinsvorsorge ist eine solche nachteilige Behandlung sehr problematisch.
Deutschland ist ein dicht bebautes, intensiv genutztes Land. Rein rechnerisch werden nach Angaben des Umweltbundesamtes täglich durchschnittlich 102 Hektar Fläche neu für Arbeiten, Wohnen und Verkehr in Anspruch genommen. Das Tempo der Flächeninanspruchnahme geht zwar zurück. Von dem in der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie im Jahr 2002 formulierten Ziel, den täglichen Zuwachs der Siedlungs- und Verkehrsfläche bis zum Jahr 2020 auf 30 Hektar zu reduzieren, ist Deutschland jedoch noch weit entfernt.
Versiegelte Böden beeinträchtigen die Wasserversorgung
Eine zunehmende Versiegelung des Bodens durch den Neubau von Wohnvierteln, Gewerbe- und Industriegebieten sowie von Straßen beeinflusst einerseits die Versickerungsfähigkeit des Bodens und damit die Grundwasserneubildungsrate sowie andererseits die Qualität der Trinkwasserressourcen. Zudem verändern sich Nachfragemuster nach Trinkwasserversorgung, auf die mit neuen oder angepassten Infrastrukturen reagiert werden muss. Auch beschränkt jede bauliche Entwicklung im Einzugsbereich von Trinkwassergewinnungsanlagen die Möglichkeiten der Wasserversorger, die Vorkommen flexibel zu erschließen.
Bei der Neuausweisung von Bauland sind daher die Belange der öffentlichen Trinkwasserversorgung durch die Kommunen und Projektentwickler zwingend mit zu betrachten. Industrie-, Gewerbe- und auch Landwirtschaftsinteressen werden oftmals vorrangig behandelt. Diese konkurrierenden Nutzungsansprüche machen den Versorgern zunehmend zu schaffen. Die Wasserversorgung hat noch vor wenigen Jahrzehnten Gewinnungsgebiete aus Nutzungskonfliktgebieten verlagern können. Dies ist heute aufgrund des gestiegenen Flächenverbrauches, der bestehenden Flächennutzung Dritter und der fehlenden Alternativräume kaum noch möglich.
Bei allen Fragen zur Flächennutzung gelten die Grundsätze des Wasserhaushaltsgesetzes, wonach Gewässer vor nachteiligen Auswirkungen geschützt werden müssen. Auf der Basis dieses Grundsatzes müssen mögliche Konflikte mit anderen Nutzungen geklärt und entschieden werden.
Natur- und Wasserschutz in Einklang bringen
Belange des Naturschutzes haben in den letzten Jahren die der Wasserversorgung in den wasserrechtlichen Verfahren verdrängt. Die zunehmende Divergenz zwischen Naturschutz- und Wasserrecht führt auch dazu, dass Umfang und Tiefe der Beweissicherung für die Wasserentnahmen der öffentlichen Wasserversorgung unverhältnismäßig zunehmen. Darüber hinaus zeigt sich, dass Art und Umfang der Beweissicherung je nach Behörde bundesweit stark divergiert. Es ist daher erforderlich, dass zukünftig die Beweissicherung bei wasserrechtlichen Verfahren angemessen ausgestaltet wird und es bundesweit zu einer Harmonisierung der Verfahren kommt.
Ressourcenschutz darf nicht nachrangig behandelt werden
Auch läuft die Festsetzung von Wasserschutzgebieten seit vielen Jahren schleppend. Oftmals werden die Gebiete nicht nach der Schutzbedürftigkeit der Ressourcen, sondern nach lokalen oder regionalen und wirtschaftlichen Interessen ausgewiesen. So werden beispielsweise Gewerbegebiete vorrangig behandelt. Die Ausweisung von Wasserschutzgebieten nach den tatsächlichen Erfordernissen des Ressourcenschutzes muss seitens der Genehmigungsbehörden und der Kommunen mehr Priorität erhalten.
Aufgabe der Raumordnung ist es, die Einzugsbereiche von Trinkwassergewinnungen von gefährdenden Nutzungen frei zu halten. Dabei muss über den Schutz derzeit genutzter Wasservorkommen hinaus Vorsorge getroffen werden, um den Ausfall vorhandener Wassergewinnungen (z. B. wegen Nitratbelastung) oder einen höheren Wasserbedarf (z. B. infolge der Klimaänderung) auffangen zu können. Vorrang- bzw. Vorbehaltsgebiete für die öffentliche Wasserversorgung sind in den letzten Jahren zunehmend in den Raumordnungsplänen verringert oder zum Teil auch komplett gestrichen worden. Langfristige „Sicherungsgebiete“ zur Aufrechterhaltung der zukünftigen Wasserversorgung fallen somit unwiederbringlich weg. Vorrang- und Vorbehaltsgebiete für die öffentliche Wasserversorgung sind zukünftig wieder stärker in den regionalen Raumordnungsplänen vorzusehen.
Mit der Novellierung des Wasserhaushaltsgesetzes 2010 wurde der explizite Vorrang der öffentlichen Wasserversorgung gegenüber konkurrierenden Nutzungsansprüchen gestrichen. Es zeichnet sich seit vielen Jahren ein Trend bei der Vergabe der Wasserrechte ab, dass oftmals nicht mehr Bewilligungen, sondern nur noch Erlaubnisse seitens der Behörden ausgesprochen werden. Darüber hinaus wurden und werden bestehende Wasserrechte in der Menge beschnitten. Beides ist zwangsläufig mit einem Verlust an Rechts- und Planungssicherheit für die öffentliche Wasserversorgung verbunden. Der Vorrang der öffentlichen Wasserversorgung gegenüber konkurrierenden Nutzungsansprüchen muss wieder ins Wasserhaushaltsgesetz aufgenommen werden. Wasserrechte für die öffentliche Wasserversorgung sind stets als Bewilligungen auszusprechen.
Eine vom DVGW beauftragte Analyse der Universität Trier hat die in Deutschland geltenden wasserrechtlichen Regelungen untersucht. Im Mittelpunkt standen die rechtliche Stellung der öffentlichen Wasserversorgung und die Rechtsformen der wasserbehördlichen Zulassung bei der Gewinnung von Trinkwasser. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass der Vorrang der öffentlichen Wasserversorgung gesetzlich verankert ist; zudem ist er auch im Verfassungsrecht verfestigt. Komplexe Formulierungen im Wasserhaushaltsgesetz und eine in ihrer Fachtiefe heterogene Gesetzgebung auf Länderebene führen aber dazu, dass die bundesweit über 800 Wasserbehörden die rechtlichen Bestimmungen nicht einheitlich umsetzen.