Intensive Landwirtschaft belastet vielerorts die natürlichen Wasserressourcen. Durch den übermäßigen Einsatz von Dünger verschlechtert sich zunehmend die Qualität des Grundwassers in Deutschland. Der DVGW engagiert sich für eine gewässerschonende Landwirtschaft, die im Einklang mit einer nachhaltigen und sicheren Wasserversorgung steht.
Massentierhaltung und übermäßiger Düngereinsatz gefährden unser Grundwasser
Stickstoffverbindungen, die unser Grundwasser gefährden, sind eines der größten ungelösten Umweltprobleme unserer Zeit.
Christian Meyer, niedersächsischer Landwirtschaftsminister am 10.03.2017 im Bundesrat
Deutschland zählt nicht nur zu den führenden Industrienationen, sondern ist auch der drittgrößte Agrarexporteur weltweit. Über 218 Millionen Rinder, Schweine und Geflügel werden in rund 199.200 landwirtschaftlichen Betrieben gehalten, um die hohe Nachfrage der Verbraucher zu befriedigen. Kein Land in Europa erzeugt mehr Milch und Schweinefleisch.
Doch die Massentierhaltung führt auch zu einem erheblichen Problem: in den Betrieben fällt mehr Gülle an, als auf dem vorhandenen Land aufgebracht werden kann und darf. Verschärfend kommt hinzu, dass sich in den vergangenen 10 Jahren durch die Ausweitung der Biogasproduktion in vielen Regionen die Nährstoffüberschüsse weiter erhöht haben. Der für die deutschlandweit fast 8000 Biogasanlagen bestimmte Energiepflanzenanbau benötigt, insbesondere beim Mais, sehr große Düngermengen. Werden jedoch neben den Energiepflanzen auch Bioabfälle in den Anlagen mit vergoren, fallen zu viele Gärrückstände an, die zusätzlich auf die Felder gelangen und den Nährstoffüberschuss im Boden erhöhen. Wird zu viel Dünger auf den Feldern verwendet, gelangt mehr Stickstoff in den Boden, als die Pflanzen für ihr Wachstum benötigten und aufnehmen können. Als im Wasser gelöstes Nitrat sickert der Stickstoff tiefer durch das Erdreich und gelangt schließlich ins Grundwasser – mit gravierenden Folgen.
Mit einem Anteil von 61 % ist Grundwasser die überwiegend genutzte Ressource zur Trinkwassergewinnung in Deutschland. Viele Grundwasservorkommen in Deutschland befinden sich jedoch bereits in einem so schlechten Zustand, dass die Aufbereitung zu Trinkwasser hier nur noch unter erschwerten Bedingungen möglich ist oder sogar aufgegeben wird. So wiesen bei Untersuchungen für den Nitratbericht der Bundesregierung im Zeitraum von 2012 bis 2014 rund 50 % der Grundwassermessstellen eine erhöhte Nitratkonzentration auf, bei 28 % lag sie sogar über dem zulässigen Grenzwert für Trinkwasser.
Nach der Trinkwasserverordnung ist eine Nitratkonzentration von bis zu 50 mg/l zulässig und als gesundheitlich unbedenklich eingestuft. Wird dieser EU-weit geltende Grenzwert überschritten, muss das Nitrat bei der Trinkwasseraufbereitung aufwendig und kostenintensiv entfernt werden. Eine andere Möglichkeit ist die Beimischung von unbelastetem Wasser aus anderen Gebieten, um die Nitratkonzentration auf ein unbedenkliches Maß zu reduzieren.
Übermäßiges Düngen bedroht seit Jahren die Ressourcen für unser Trinkwasser. Es besteht größter Handlungsbedarf, um unser Lebensmittel Nr. 1 endlich ausreichend zu schützen
Prof. Dr. Gerald Linke, DVGW-Vorstandsvorsitzender
1991 verabschiedete die Europäische Union eine Richtlinie „zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigungen durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen“ (Richtlinie 91/676/EWG). Diese sog. Nitratrichtlinie wurde in Deutschland 2006 durch die Düngeverordnung umgesetzt. Von Beginn an hat der DVGW betont, dass die darin definierte "gute fachliche Praxis" des Düngens aus Gewässerschutzsicht völlig unzureichend und dringend nachzubessern sei.
Zu dieser Einschätzung kam sehr bald auch die Europäische Kommission und leitete 2013 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein wegen unzureichender Umsetzung der Nitratrichtlinie und ungenügender Maßnahmen zum Schutz der Gewässer vor Nitrateinträgen aus der Landwirtschaft. Schließlich verklagte die Kommission 2016 Deutschland aus diesem Grund vor dem Europäischen Gerichtshof; der EuGH hat der Kommission in seinem Urteil vom 21. Juni 2018 in allen Klagepunkten recht gegeben.
Zwischenzeitlich hat zwar Deutschland sein Düngerecht novelliert und im Juni 2017 unter anderem eine neue Düngeverordnung verabschiedet. Der DVGW hat aber auch das neue Düngerecht scharf als aus Gewässerschutzsicht weiterhin ungenügend kritisiert und darauf hingewiesen, dass die Anforderungen der Nitratrichtlinie weiterhin nicht vollständig umgesetzt werden. Zu dieser Einschätzung ist auch die Kommission sehr schnell gekommen und verlangt von Deutschland umgehend Nachbesserungen seines Düngerechts. Die Verhandlungen zwischen Bundesregierung und Kommission dauern im Herbst 2019 noch an. Sobald konkrete Vorschläge für Anpassungen des Düngerechts auf dem Tisch liegen, wird der DVGW diese bewerten und falls erforderlich eigene Vorschläge für notwendige Verbesserungen vorlegen.
Nitrat (NO3−) gehört zu den Stickstoffverbindungen des natürlichen Stickstoffkreislaufs und besteht aus den Elementen Sauerstoff (O) und Stickstoff (N). Als Salz ist es gut im Wasser löslich und versickert leicht im Boden. Von Pflanzen wird es für das Wachstum benötigt und über die Wurzeln im Erdreich aufgenommen. Verfügt der Boden durch intensive Landwirtschaft nicht mehr über ausreichend natürliche Mineralien und Stickstoffverbindungen, werden ihm diese entweder durch organischen (z.B. Festmist, Gülle, Gärrückstände aus Biogasanlagen) oder mineralischen (z.B. Kalk, Stickstoff, Phosphat) Dünger zugeführt. Kommt jedoch zu viel Dünger zum Einsatz, erhöht sich die Stickstoffkonzentration im Boden vom natürlichen auf ein umweltschädliches Maß.
Wird der Boden übermäßig gedüngt, entsteht ein Stickstoff- bzw. Nitratüberschuss, der nicht mehr von Pflanzen aufgenommen werden kann. Mit dem Sickerwasser gelangt das leicht lösliche Nitrat in tiefergelegene Erdschichten und schließlich ins Grundwasser. Auf diesem Fließweg findet je nach Bodenbeschaffenheit ein natürlicher Nitratabbau (Denitrifikation) durch Bakterien statt, die den im Nitrat gebundenen Stickstoff zu gasförmigen Verbindungen umwandeln. Allerdings ist dieses unterirdische Nitratabbaupotenzial nur von begrenzter Dauer und in der Regel nicht regenerierbar. Unter ungünstigen Bedingungen kann es bereits nach wenigen Jahren oder Jahrzehnten erschöpft sein, was deutlich höhere Nitratkonzentrationen im Grundwasser nach sich zieht.
Da bereits viele Grundwasservorkommen in Deutschland eine zu hohe Nitratkonzentration aufweisen, steht die Wasserversorgung vor einer großen Herausforderung. So müssen Brunnen in betroffenen Gebieten stillgelegt, aufwendige Aufbereitungsmethoden angewendet oder das geförderte Wasser mit unbelastetem Wasser aus anderen Regionen vermischt werden – Mehrkosten die den Wasserpreis für die Verbraucher erhöhen.
Von Nitrat geht nur eine geringe Gesundheitsgefährdung für Erwachsene aus. Durch Bakterien im Körper – etwa im Mundraum oder Magen – kann es jedoch zu Nitrit umgewandelt werden, was zwei Arten von Gefahren für den Menschen birgt: einerseits gilt es als krebserregend, andererseits kann es bei Säuglingen den Sauerstofftransport im Blut verhindern.
Durch die geltende Trinkwasserverordnung in Deutschland ist ein Grenzwert von 50 Milligramm Nitrat pro Liter vorgeschrieben, der nicht überschritten werden darf. Sowohl für Erwachsene als auch für Säuglinge ist somit eine Gesundheitsgefährdung durch Trinkwasser in Deutschland grundsätzlich ausgeschlossen.
Als gemeinnütziger Verein des Gas- und Wasserfaches in Deutschland engagiert sich der DVGW seit vielen Jahrzehnten für einen vorsorgenden Gewässerschutz und beteiligt sich aktiv an Gesetzgebungsverfahren, politischen Programmen sowie Diskursen.
Mit Stellungnahmen, Pressemitteilungen und der Darlegung seiner Positionen gegenüber den Ministerien hat der DVGW das Novellierungsverfahren zu Düngegesetz sowie Düngeverordnung von Anfang an intensiv begleitet und so seine Expertise den politischen Entscheidungsträgern zur Verfügung gestellt.
Durch sein Engagement in der fachspezifischen Forschung – auch mit eigenen Instituten – gibt der DVGW dem wissenschaftlichen Diskurs und der politischen Debatte zur Nitratbelastung wichtige Impulse. Auch international sensibilisiert der Verein für das Problem mit Nitrat im Grundwasser und macht sich als Mitglied von EurEau, dem Zusammenschluss von Verbänden der Wasser- und Abwasserwirtschaft aus 29 europäischen Ländern, für ein vernetztes Denken sowie Handeln aller Akteure auf EU-Ebene stark.
Für die Erfassung der Grundwasserqualität in Deutschland existieren mehrere Messnetze, die verschiedenen Zwecken dienen und sich in der Dichte sowie Auswahl ihrer Messstellen erheblich unterscheiden. Anhand der gewonnen Daten ist zwar eine repräsentative Auswertung der Grundwassersituation in Deutschland möglich, jedoch fehlt bislang eine umfassende Datengrundlage bzw. ein exakter Überblick über die Nitratbelastung aller Grundwasservorkommen. Aus diesem Grund haben die Branchenverbände DVGW, BDEW und VKU gemeinsam den Entschluss gefasst, die "Grundwasserdatenbank Nitrat" ins Leben zu rufen. Mit Hilfe der neuen Datenbank können die Nitratbelastung des Grundwassers bundesweit erfasst und die jeweiligen Messergebnisse der rund 2300 Wasserversorger in Deutschland an zentraler Stelle gebündelt werden. Ziel der Initiative ist es, die Nitratbelastung in den Wasserschutz- und Einzugsgebieten der Trinkwasserbrunnen systematisch zu dokumentieren und bestehende Messnetze sinnvoll zu ergänzen, um daraus gezielt wirkungsvolle Gegenmaßnahmen zum Schutz der Trinkwasserressourcen abzuleiten.
Forschungsbericht W 1/01/11-1
Forschungsbericht W 1/01/11-2
In folgenden Dokumente aus dem DVGW-Regelwerk erhalten Sie ausführliche Informationen zu landwirtschaftlichen Einflüssen auf Gewässer.
ARD – Kontraste | 7 Min.
Erklärfilm des Umweltbundesamts | 4 Min.