Für die Desinfektion im Rahmen der zentralen Trinkwasseraufbereitung dürfen nur die gemäß Trinkwasserverordnung zugelassenen Chemikalien und Verfahren eingesetzt werden.
Für die Desinfektion im Rahmen der zentralen Trinkwasseraufbereitung dürfen nur die gemäß Trinkwasserverordnung zugelassenen Desinfektionsmittel und Verfahren eingesetzt werden. Diese sind zusammen mit den Einsatzbedingungen (Zugabemengen, Restgehalte) in der Liste der zulässigen Aufbereitungsstoffe und Desinfektionsverfahren gemäß § 20 der Trinkwasserverordnung, welche durch das Umweltbundesamt geführt wird, veröffentlicht.
Desinfektionsverfahren | Desinfektionsmittel | |
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(Stand: 12/2023) |
Wesentliche Kriterien, welche die Auswahl des geeigneten Desinfektionsverfahrens im konkreten Fall bestimmen, sind der Anwendungsbereich bzw. die Einschränkungen der einzelnen Verfahren sowie die Bildung von Nebenprodukten als Folge der Reaktionen der Desinfektionsmittel mit organischen und anorganischen Wasserinhaltsstoffen.
Bitte beachten Sie auch die Hinweise zur UV-Desinfektion auf unserer Themenseite "UV-Desinfektion in der Wasserversorgung"
Der Einsatz chlorhaltiger Chemikalien (Chlor, Hypochlorite und Chlordioxid), ist dadurch gekennzeichnet, dass die Desinfektionswirkung im Wasser über einen längeren Zeitraum aufrecht erhalten werden kann, der von der Desinfektionsmitteldosis und dem Zehrungsverhalten des Wassers bestimmt wird. Wesentliche Einschränkungen für den Einsatz dieser Verfahren ergeben sich aus der Bildung von Nebenprodukten, die von der Art und Konzentration der organischen Wasserinhaltsstoffe bestimmt werden, bzw. dem Bromidgehalt des Wassers.
Zusätzlich zu Desinfektionsnebenprodukten, die bei der Reaktion des Desinfektionsmittels mit organischen bzw. anorganischen Wasserinhaltsstoffen entstehen, kann es bei Herstellung, Transport oder Lagerung des Desinfektionsmittels zur Bildung unerwünschter Nebenprodukte kommen. Hierzu zählt insbesondere die Bildung von Chlorat.
Durch die DIN EN 901:2013-12 „Produkte zur Aufbereitung von Wasser für den menschlichen Gebrauch – Natriumhypochlorit“ ist der Gehalt an Natriumchlorat (NaClO3) in Natriumhypochloritlösungen als Handelsprodukt auf einen Massenanteil von 5,4 %, bezogen auf den Gehalt an freiem Chlor, beschränkt.
Bei der Lagerung von Natriumhypochloridlösungen im Wasserwerk verringert sich der Chlorgehalt durch Lichteinwirkung und Wärme, wobei unter anderem Chlorat gebildet wird. Bild 1 enthält Anhaltswerte für den Verlust an freiem Chlor in Abhängigkeit von der Temperatur und der Standzeit.
Bei der elektrolytischen Herstellung von Chlorgas, Chlor- oder Natriumhypochloritlösungen sind die Lagerzeiten in der Regel deutlich geringer, dennoch können auch bei diesen Verfahren im Herstellungsprozess unerwünschte Nebenprodukte entstehen. Wie für gehandelte Desinfektionslösungen gelten auch in diesem Fall die Reinheitsanforderungen der Produktnormen DIN EN 901 und DIN EN 937.
In vor Ort hergestellten Chlordioxidlösungen zerfällt ClO2 in Abhängigkeit von der Konzentration und dem pH-Wert zu Chlorit und Chlorat. Höhere pH-Werte, Spuren von Verunreinigungen, Lichteinfall und Erwärmung vermindern die Stabilität der Chlordioxidlösung. Ebenso kann im Herstellungsprozess Chlorat entstehen.
Calciumhypochlorit wird gemäß DVGW-Arbeitsblatt W 623 nicht zur Dauerdesinfektion empfohlen. Dadurch, dass es als Feststoff gelagert werden kann, eignet es sich besonders für die Bevorratung für Notfälle. Laut DIN EN 900 kann Calciumchlorat als Nebenprodukt des Herstellungsprozesses entstehen.
Für Chlorat im Trinkwasser existierte bislang kein verbindlicher Grenzwert. Jedoch findet sich in den WHO Guidelines for drinking water quality ein vorläufiger Leitwert von 0,7 mg/l. Die Empfehlung, einen Wert von 0,2 mg/l im Trinkwasser nicht zu überschreiten, gilt seit 1997 durch das Umweltbundesamt (UBA) und seit 2004 durch die Bundesanstalt für Risikobewertung (BfR).
Aufgrund intensiver Diskussionen innerhalb der EU-Kommission über Chlorat-Höchstwerte im Trinkwasser führte das Umweltbundesamt eine erneute Bewertung für Chlorat durch. Diese führte dazu, dass mit der 19. Änderung der Liste der Aufbereitungsstoffe und Desinfektionsverfahren gemäß § 11 der TrinkwV für die Anwendung von Natrium- und Calciumhypochlorit sowie von Chlordioxid für die Trinkwasserdesinfektion erstmalig Höchstwerte für Chlorat im Trinkwasser festgelegt wurden, die folgendermaßen abgestuft sind:
In einer vom TZW 2018 vorgelegten Studie, in der an mehr als fünfzig Standorten in Deutschland die Chloratkonzentrationen im Trinkwasser bestimmt wurden, ergab sich, dass bei den üblicherweise eingesetzten Zugabemengen von Desinfektionsmitteln von 0,2 bis 0,5 mg/l Chlor (beim Einsatz von Natriumhypochlorit) bzw. von 0,1 bis 0,3 mg/l Chlordioxid im desinfizierten Trinkwasser eine Chloratkonzentration von 0,07 mg/l in der Regel nicht überschritten wird.
Ebenso deutlich wurde aber, dass der Chloratgehalt in den untersuchten Natriumhypochloritlösungen stark schwankte (zwischen 1 und 36%). Daher ist beim Einsatz aller Desinfektionsverfahren, bei denen chlorhaltige Desinfektionsmittel zum Einsatz kommen, eine übermäßige Bildung von Chlorat unbedingt zu vermeiden. Für Wasserversorgungsunternehmen ergeben sich dazu insbesondere bei der Beschaffung, Qualitätssicherung und Handhabung von Natriumhypochloritlösungen einige Ansatzpunkte, die beachtet werden sollten.
Seit Erscheinen der neuen TrinkwV 2023 sind Chlorat und Chlorit direkt in der Verordnung geregelt: Für Chlorat gilt ein Grenzwert von 0,070 mg/l und für Chlorit ein Grenzwert von 0,20 mg/l am Zapfhahn des Verbrauchers. Zeitweise und zur Gefahrenabwehr sind höhere Chloratwerte erlaubt. Wird von der Möglichkeit einer Untersuchung am Ausgang des Wasserwerks oder im Verteilungsnetz Gebrauch gemacht, gilt ein Referenzwert von 0,020 mg/l Chlorat bzw. 0,060 mg/l Chlorit. Grundlage für die Möglichkeit, diese Werte am Ausgang des Wasserwerks zu messen, lieferte das DVGW-Forschungsvorhaben „DesiRe“ (W 202121).
Ab dem 12. Januar 2026 gilt für Halogenessigsäuren (HAA-5) der Grenzwert von 0,060 mg/l. Wird von der Möglichkeit einer Untersuchung am Ausgang des Wasserwerks oder im Verteilungsnetz Gebrauch gemacht, gilt ab 2026 ebenfalls ein Referenzwert von 0,010 mg/l HAA-5.
Um die in der TrinkwV festgelegten Grenzwerte für Chlorat im Rahmen der Trinkwasserdesinfektion nicht zu überschreiten, ist eine umfassende Qualitätssicherung erforderlich, an der neben dem Betreiber auch der Hersteller des Desinfektionsmittels und der Lieferant beteiligt werden müssen.
Die Qualitätssicherung beginnt bereits bei der Auswahl und Beschaffung des Desinfektionsmittels. Dabei sind insbesondere die folgenden Aspekte zu berücksichtigen:
Je mehr Sicherheit der Betreiber hinsichtlich der Verfügbarkeit und einer zuverlässigen Belieferung hat, desto weniger Desinfektionsmittel muss vor Ort gelagert werden.
Aktuelle Nachweise der geforderten Produktqualität nach DIN EN 901 (im Falle von Natriumhypochlorit) sind vom Hersteller zwingend einzufordern. Gemäß EU-Biozidverordnung Artikel 69, Absatz 2) k) muss zudem auf Biozidprodukten ein Verfallsdatum unter normalen Lagerungsbedingungen angebracht sein.
Darüber hinaus muss sichergestellt sein, dass während des Transportes Bedingungen vermieden werden, die eine Chloratbildung begünstigen. Daher sollten die Vorgehensweise und die Rahmenbedingungen bei der Anlieferung mit dem Lieferanten und dem Hersteller abgestimmt werden, um lange Transportzeiten und Einwirkungen von Licht und erhöhten Temperaturen nach Möglichkeit zu vermeiden.
Durch eine Wareneingangskontrolle lässt sich feststellen, ob eine frisch angelieferte Natriumhypochloritlösung bereits erhöhte Chloratgehalte aufweist. Hierzu ist die Bestimmung des Aktivchlorgehaltes und der Chloratkonzentration nach DIN EN 901 erforderlich. Hinweise, ob erhöhte Chloratkonzentrationen vorliegen, gibt bereits ein Vergleich des gemessenen Aktivchlorgehaltes mit der vom Hersteller zugesicherten Konzentration.
Natriumhypochlorit ist nur begrenzt haltbar. Der Chlorgehalt der Lösung verringert sich durch Lichteinwirkung und Wärme, wobei unter anderem Chlorat gebildet wird.
Bezüglich der Lagerung sollten demnach einige grundlegende Hinweise berücksichtigt werden, um eine möglichst konstante Produktqualität und eine Minimierung der Nebenproduktbildung zu gewährleisten:
Das Verdünnen der Lösung kann eine höhere Stabilität bewirken. In dem Fall muss allerdings darauf geachtet werden, dass durch Verunreinigungen oder chlorzehrende Stoffe im Verdünnungswasser die Zersetzung der Natriumhypochloritlösung beschleunigt wird. Es ist zudem ratsam ein vollenthärtetes Wasser oder Wasser mit geringer Gesamthärte für die Verdünnung zu verwenden, um Ausfällungen und somit technische Beeinträchtigungen zu vermeiden.
DVGW-Information WASSER Nr. 97
DVGW-Information WASSER Nr. 103