Wasserstoff wird in der Industrie zur Erzeugung von Prozesswärme oder direkt als Rohstoff in der Produktion verwendet. Um die Dekarbonisierung in diesem Sektor und die Klimaschutzziele zu erreichen, werden große Mengen an klimafreundlich hergestelltem Wasserstoff benötigt. Beim Transport spielt die vorhandene Gasinfrastruktur eine entscheidende Rolle.
CO2-Emissionen senken und Industriestandort Deutschland sichern
Wertvolles Asset der Energiewende
Der Einsatz von klimaneutralem Wasserstoff ist mittel- bis langfristig in der Industrie erforderlich, um Treibhausgasemissionen zu minimieren, Arbeitsplätze zu sichern und die deutsche Industrie resilienter zu machen. Denn durch nachgelagerte Wertschöpfungsketten deutscher Schlüsselindustrien hat die Nutzung von Gasen für Produktionszwecke auch für den Mittelstand strategische Bedeutung. Schon heute hängt die industrielle Wertschöpfung in Deutschland ganz entscheidend auch vom gut ausgebauten Gasnetz ab, an das 1,8 Millionen Industrie- und Gewerbekunde angeschlossen sind. In Zukunft wird sich diese Infrastruktur für die Speicherung sowie den Transport von Wasserstoff verwenden lassen. Im Rahmen der Initiative H2vorOrt von DVGW und VKU arbeiten die Verteilnetzbetreiber bereits intensiv an der Transformation der Netze hin zu einer vollständigen H2-Readiness.
Die Chemie- und Pharmaindustrie ist einer der größten sowie bedeutendsten Wirtschaftszweige in Deutschland und beliefert zahlreiche andere Branchen mit zentralen Grundstoffen und Vorprodukten. Sie ist sehr energieintensiv und emittiert jährlich rund 40 Millionen Tonnen CO2. Eine entscheidene Bedeutung für die Branche spielt Erdgas und sie ist der größte industrielle Verbraucher in Deutschland. Etwa 70 Prozent des Erdgases werden energetisch für die Strom- und Dampferzeugung genutzt, 30 Prozent kommen als Rohstoff zum Einsatz.
Klimaneutraler Wasserstoff aus Elektrolyse und Pyrolyse
Die Chemieindustrie weist einen enormen Bedarf an Wasserstoff auf. Mittels Dampfreformierung wird dieser aus Erdgas erzeugt und bildet ein wichtiges Ausgangsprodukt für viele Chemikalien. Insbesondere gilt dies für die Basischemikalien Ammoniak und Methanol, die u.a. zu Düngemitteln und Kunststoffen weiterverarbeitet werden. Bei der Herstellung des benötigten Wasserstoffs, dem sogenannten grauen Wasserstoff, werden große Mengen CO2 freigesetzt. Diese Emissionen lassen sich durch den Einsatz von klimaneutralem Wasserstoff vermeiden, der mit Hilfe von Elektrolyse oder der Pyrolyse erzeugt wurde.
Die deutsche Stahlindustrie verursacht jährlich rund 67 Millionen Tonnen CO2. Diese hohen Emissionen entstehen insbesondere bei der Erzeugung von Roheisen aus Eisenerz, das anschließend zu Rohstahl weiterverarbeitet wird. Für die sogenannten Reduzierung von Eisenerz zu Eisen benötigt man Koks, das mit Sauerstoff reagiert und für extreme Temperaturen von bis zu 2.200 Grad im Hochofen sorgt. Aus dem so gewonnenen flüssigen Roheisen entsteht nach weiteren Verarbeitungsschritten Rohstahl.
Direktreduktion mit Wasserstoff
Um die erheblichen CO2-Emissionen bei der Stahlerzeugung zu reduzieren, lässt sich im alternativen Direktreduktionsverfahren klimaneutraler Wasserstoff anstelle von Koks einsetzen. Im Gegensatz zum Hochofenprozess entsteht bei Temperaturen von bis zu 1.000 Grad statt flüssigem Roheisen ein sogenannter Eisenschwamm, der in einem elektrisch betriebenen Lichtbogenofen anschließend zu Stahl geschmolzen wird. Die Direktreduktion mit Wasserstoff ermöglich eine CO2-arme und somit weitgehend klimaneutrale Stahlerzeugung, die bis zu 95 Prozent der CO2-Emissionen im Vergleich zum Hochofenprozess einspart.
Als Hauptbestandteil und Bindemittel für die Herstellung von Beton und Mörtel hat Zement eine wesentliche Bedeutung für die Bauindustrie. Die Herstellung von Zement ist allerdings energieintensiv und verursacht hohe CO2-Emissionen, die sich jährlich auf ca. 20 Millionen Tonnen belaufen. Eine Reduzierung dieser Emissionen gestaltet sich schwierig, da nur etwa ein Drittel der CO2 durch den Einsatz fossiler Brennstoffe entstehen und durch den Wechsel zu regenerativen Energieträgern vermieden werden könnten. Der Großteil ist rohstoff- bzw. prozessbedingt und entsteht bei der sogenannten Kalzinierung, d.h. der Entsäuerung des Ausgangsmaterials Kalkstein. Bei Temperaturen von ca. 900 Grad wird dem Kalkstein hierbei das enthaltene Kohlendioxid (CO2) entzogen, bevor man ihn anschließend im Drehrohrofen bei bis zu 1.450 Grad zu Zementklinker weiterverarbeitet und diesen anschließend zu Zement mahlt.
Abscheidung von CO2 und Unwandlung mit Wasserstoff
Die bisherigen CO2-Minderungsmaßnahmen der Zementindustrie wie etwa die Verbesserung der thermischen Effizienz, die Senkung der Klinkergehalte im Zement oder das Ersetzen von fossilen Energieträgern durch alternative Brennstoffe haben mittlerweile ihre Grenzen erreicht. So lassen sich die prozessbedingten CO2-Emissionen, die bei der Herstellung von Zementklinker entstehen, mit heutigen Technologien nicht weiter reduzieren. Für eine zukünftige klimaneutrale Zementherstellung spielen deshalb Verfahren zur Abscheidung von CO2 eine zentrale Rolle. Das Kohlendioxid wird so nicht mehr freigesetzt, sondern in weiteren Schritten entweder langfristig gespeichert (Carbon Capture and Storage, CCS) oder als Rohstoff genutzt (Carbon Capture and Utilisation, CCU). Die sogenannte Oxyfuel-Technologie, bei der im Drehrohrofen Sauerstoff statt Luft Verwendung findet, bewirkt, dass das anfallende CO2 die hierfür benötigte Qualität aufweist. Das abgeschiedenen Kohlendioxid lässt sich anschließend mit Hilfe von Wasserstoff zu chemischen Grundstoffen oder synthetischen Kraftstoffen wie z.B. Kerosin weiterverarbeiten.
Emissionen senken, Industrie stärken
Um die Dekarbonisierung und somit die Klimaschutzziele im Industriesektor zu erreichen, führt an Wasserstoff kein Weg vorbei. Beim Transport des Energieträgers zu den Verbrauchern spielt die vorhandene Gasinfrastruktur eine ganz entscheidende Rolle. Um die erforderliche Transformation hin zu einer klimaneutralen Industrie zu ermöglichen, hat der DVGW die „Plattform Grüne Industrie“ gegründet.
Im engen Austausch zwischen Industrie und Netzbetreibern können vorhandene Erfahrungen genutzt und wichtige Themen zur Rechtssicherheit, in der Technischen Regelsetzung, Forschung, Zertifizierung sowie Schulung gebündelt und beschleunigt werden. In mehreren Fokusgruppen, die sich den unterschiedlichen Branchen widmen (Zement, Stahl, Chemie, Fahrzeuge) und aus Vertretern von Industrie und Gaswirtschaft zusammensetzen, werden so gemeinsam zukunftsweisende Strategien für eine emissionsarme, wasserstoffbasierte Industrie entwickelt.
Grüner Wasserstoff für Mitteldeutschland
Im mitteldeutschen Chemiedreieck, das die Region um Halle, Merseburg und Bitterfeld umfasst, besteht ein hoher Bedarf an Wasserstoff seitens der ansässigen Industrieunternehmen. Gedeckt werden soll er zukünftig mit aus regenerativer Energie erzeugtem Wasserstoff. Im Rahmen des Projekts "Energiepark Bad Lauchstädt" wird erprobt, wie klimaneutraler Wasserstoff im industriellen Maßstab hergestellt, transportiert, gespeichert und verwendet werden kann. Ein Windpark liefert die benötigte Energie für die Wasserstoffproduktion in einer Großelektrolyseanlage, die an einen unterirdischen Speicher angeschlossen werden soll. Dieser dient dazu, die witterungsbedingten Schwankungen der Windenergie ausgleichen und somit eine zuverlässige Wasserstoffversorgung der chemischen Industrie sicherzustellen. Über eine umgewidmete Erdgasleitung wird unächst der Chemiepark Leuna versorgt, perspektivisch sollen weitere Chemie- und Industriestandorte in der Region folgen.
Die TRGE „Thermische Industrie“ ist Teil des DVGW-Regelwerks und richtet sich an Betreiber von Thermoprozessanlagen sowie an Energienetzbetreiber. Diese werden bei den Themen Klimaneutralität, Schadstoffminimierung und CO2-Einsparung unterstützt. Die TRGE bietet einen detaillierten Überblick über die industrielle Gasnutzung in Deutschland und erläutert die Anforderungen und Herausforderungen der Thermoprozessindustrie auf dem Weg in eine klimaschonende Zukunft. Die TRGE bietet einen Überblick zu effizienzsteigernden Maßnahmen in gasbefeuerten Industrieprozessen und zeigt Optimierungspotenziale an praktischen Beispielen auf.
Die Sicherheit hat oberste Priorität – das gilt auch für Planung, Errichtung, Prüfung und Inbetriebnahme sowie für Betrieb und Instandhaltung von industriellen Gasanlagen inklusive der nachgeschalteten Gasanwendungen. Ab dem Anschlusspunkt des vorgelagerten Netzbetreibers befinden sich diese Gasanlagen und -anwendundungen im Eigentum des Industrieunternehmens. Für Bau, Betrieb und Instandhaltung dieser Energieanlagen sind nach Definition des Energiewirtschaftsgesetzes die allgemein anerkannten Regeln der Technik einzuhalten. Diese Forderung gilt als erfüllt, wenn das technische Regelwerk des DVGW angewandt wird (§ 49 Absatz 2 EnWG).
Mit unserem TSM bieten wir ein System der freiwilligen Selbsteinschätzung und Überprüfung zur rechtskonformen Organisation Ihrer technischen Prozesse. Als bedeutendes Element der technischen Selbstverwaltung in der Versorgungswirtschaft ist das TSM für die betriebliche Praxis entwickelt und auf die Bedürfnisse der Versorger zugeschnitten.