Nach dem Inkrafttreten der neuen Richtlinie bleiben zwei Jahre für die Anpassung der deutschen Trinkwasserverordnung
16.12.2020 im Amtsblatt der EU
Trinkwasser rund um die Uhr und in bester Qualität – dafür setzt die Europäische Union seit über 20 Jahren die Standards. Diese Qualitätsstandards wurden nun in einem mehrjährigen Prozess (seit 12/2015) auf den Prüfstein gestellt. So wurden die neuesten Erkenntnisse der Weltgesundheitsorganisation eingeholt und diverse Studien zu besonderen Themen wie Materialien in Kontakt mit Trinkwasser in Auftrag gegeben.
Hinzu kam die erste europäische Bürgerinitiative – bekannt unter "Right2Water" – mit ihren Forderungen nach einem Zugang für Alle zu einer sicheren Wasserversorgung und Abwasserbehandlung.
Auch war es erklärtes Ziel der Europäischen Kommission, von Anfang an das Konzept der WHO Water Safety Plans – im Jahr 2004 von der WHO vorgelegt - in einer künftigen EU-Trinkwasserrichtlinie zu verankern.
Eine der wesentlichen Änderungen (s. auch unten) der neuen Trinkwasser-Richtlinie ist die neue Regelung zu den per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) im Trinkwasser.
In dieser Hintergrundinfo erklären wir:
Die Infos werden durch Hinweise auf umfangreiche, weiterführende Literatur abgeschlossen.
Der neue Artikel 10a basiert im Wesentlichen auf dem „4 Member States“-Ansatz.
Materialien, die für die Verwendung in Neuanlagen oder – im Fall von Reparatur- oder Sanierungsmaßnahmen – in bereits bestehenden Anlagen zur Entnahme, Aufbereitung oder Verteilung von Wasser für den menschlichen Gebrauch vorgesehen sind und mit diesem Wasser in Berührung kommen, dürfen
Für die einheitliche Umsetzung werden die spezifischen Mindesthygieneanforderungen für Materialien durch Durchführungsrechtsakte geregelt. Innerhalb von drei Jahren werden Stoffe oder Materialien sowie Test- und Auswahlverfahren für Ausgangsstoffe und -verbindungen in einer „europäischen Positivliste“ aufgenommen.
Nach vier Jahren legt die Europäische Chemikalienagentur ECHA diese europäische Positivliste der Ausgangsstoffe und -verbindungen für die folgenden Gruppen von Materialien vor:
Die Aufnahme von Gültigkeitsdaten der Ausgangsstoffe und -verbindungen ist auf Wunsch des Parlamentes aufgenommen worden. Sie werden von der ECHA auf der Basis von Risikobewertungen und der stoffspezifischen Eigenschaften festgelegt. Zusätzlich wurde eine Überprüfung der europäischen Positivliste nach 15 Jahren vereinbart.
Auf Wunsch des Parlamentes werden die Regelungen für Abweichungen von den Qualitätsparameter auf neue Wassergewinnungsgebiete, neue Verschmutzungsquellen und neue Parameter beschränkt. D.h. die bekannte und bewährte bisherige Regelungen, dass Abweichungen max. drei mal drei Jahre möglich sind entfällt künftig. Die Abweichungen sollen auf einen kurzen Zeitraum beschränkt werden und drei Jahre nicht überschreiten.
Daneben können Mitgliedstaaten jedoch für unvorhersehbare und außergewöhnliche Situationen zeitlich begrenzte Ausnahmen zulassen. Diese können jedoch nicht erneuert werden.
Es ist nun vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten eine Bewertung der Wasserverluste vornehmen und auch das Potential zur Verringerung der Wasserverluste erfassen. Als Bewertungsmethode wird der Infrastructural Leakage Index-Ansatz (ILI) oder eine andere geeignete Methode empfohlen. Die Regelung gilt für Wasserversorger, die mindestens 10 000 m³ pro Tag liefern bzw. mindestens 50 000 Personen.
Die Ergebnisse der Wasserverluste-Ermittlung sind der Kommission drei Jahre nach der Umsetzung der Richtlinie mitzuteilen.Die Kommission wird ihrerseits fünf Jahre nach der Umsetzung der Richtlinie einen Schwellenwert festsetzen. Dieser basiert auf den Bewertungen der Mitgliedstaaten und einer bis dahin ermittelten EU-weiten durchschnittlichen Wasserverluste-Rate. Mitgliedstaaten, die diesen Wert überschreiten sind dann aufgerufen, innerhalb von zwei Jahren einen Aktionsplan zur Reduzierung ihrer Wasserverluste vorzulegen.
Für Blei ist ein Qualitätsparameter von 5 µg/L festgesetzt. Für diesen Wert gilt eine 15jährige Übergangsfrist. Bis zu diesem Zeitpunkt beträgt der Blei-Grenzwert 10 µg/L. Erstmals wird der Blei-Grenzwert in den Kontext der Anforderungen an Materialien in Kontakt mit Trinkwasser (Artikel 10a) gestellt, indem in den Bemerkungen zu Blei eine Verknüpfung zu der zukünftigen europäischen Positivliste für Materialien hergestellt wird.
Am Ende der Diskussion zur Aufnahme von endokrinen Disruptoren steht (nur noch) ein Parameterwert für Bisphenol A von 2,5 µg/L. Dieser Wert kann von der Kommission aufgrund neuer Erkenntnisse der European Food Safety Authority (EFSA) mit einem delegierten Rechtsakt angepasst werden. Beta-Östradiol und Nonylphenol werden aufgrund ihrer endokrinen Stoffeigenschaften in die erste „watchlist“ der Trinkwasserrichtlinie aufgenommen. Diese erste Liste soll ein Jahr nach dem Inkrafttreten des Rechtsaktes eingeführt werden. Sie enthält für jede Substanz einen Richtwert und wo möglich eine Analysenmethode.
Die neue Regelung zu PFAS ist kompliziert. Es existieren nun zwei Parameterwerte. Zum einen für Gesamt-PFAS (0,50 µg/L) für die Gesamtheit aller per- und polyfluoralkylhaltigen Substanzen. Für die Bestimmung dieses Parameterwertes entwickelt die Kommission in den nächsten drei Jahren die noch notwendigen technischen Richtlinien. Zum anderen besteht eine Qualitätsanforderung von 0,10 µg/L für die Summe der in Anhang III, Teil B, Punkt 3 gelisteten 20 Einzelsubstanzen.
Den Mitgliedstaaten wird es freigestellt sein, zwischen diesen beiden Anforderungen zu wählen bzw. auch beide anzuwenden.
Bezüglich der PSM-Metaboliten wurde ein Kompromiss gefunden. So sind die Mitgliedstaaten angehalten, für nicht-relevante Metaboliten einen Richtwert zu definieren. Dies bedeutet für die Situation in Deutschland, dass wir mit dem bewährten Konzept der Gesundheitlichen Orientierungswerte (GOW) des Umweltbundesamtes fortfahren können.
Die seitens des Rates in einer der letzten Trilogrunden vorgelegten Intention, auch die aus PSM-Metaboliten entstehenden Transformationsprodukte über die neue Trinkwasserrichtlinie zu regeln, hat erfreulicherweise keinen Eingang in den nunmehr ausgehandelten Text gefunden.
Es ist nunmehr vorgesehen, dass die Kommission in den nächsten drei Jahren eine Methodik zur Bestimmung von Mikroplastik vorlegt, mit der Perspektive, Mikroplastik in die „watchlist“ gemäß Artikel 11 (7) aufzunehmen. In dieser „watchlist“ werden Substanzen aufgenommen, die von öffentlichem bzw. wissenschaftlichen Belangen für die Gesundheit sind. Beispielhaft werden Pharmazeutika, endokrine Disruptoren und Mikroplastik genannt.
Für die Einhaltung der Qualitätsparameter Chlorat, Chlorit, Bisphenol-A, Microcystin, PFAS Summe und Uran wird eine dreijährige Übergangsperiode gewährt.
Der völlig unzureichende Entwurf der Kommission (Februar 2018) konnte im Laufe der Verhandlungen essentiell verbessert werden. Dennoch trägt die neue Trinkwasserrichtlinie mehr als bislang eine politische Handschrift (Right2Water-Initiative, Interessen des Parlamentes etc.).
Herbst 2016
Die WHO hat Hintergrundpapiere veröffentlicht, in denen sie die Parameter der Trinkwasserrichtlinie aus dem Annex I (Qualitätsparameter) evaluiert. Hierbei wurde auch die Integration des risikobasierten Ansatzes (WHO Water Safety Plan) mitbetrachtet. Als erste Zwischenbilanz ist festzuhalten, dass
DVGW und EurEau haben zu den Hintergrundpapieren der WHO Stellungnahmen erarbeitet und begleiten den Prozess weiterhin in engem Austausch mit der Kommission.
Die DVGW-Stellungnahme zu den WHO-Hintergrundpapieren finden Sie hier: