Mit Gaskraftwerken die Klimaschutzziele frühzeitig erreichen – kostengünstig und bei voller Systemstabilität
Der Stromsektor ist mit rund 38 Prozent der größte Einzelverursacher von Treibhausgas-(THG-)Emissionen in Deutschland. Obwohl der erneuerbare Anteil an der Stromerzeugung von Jahr zu Jahr steigt, nimmt seit 2010 auch der THG-Ausstoß im Stromsektor wieder zu. Dafür sind vor allem die Braunkohlekraftwerke verantwortlich. 2016 erzeugten sie knapp ein Viertel des Stroms in Deutschland. Um diese Entwicklung zu korrigieren, braucht Deutschland dringend und zeitnah einen Fuel-Switch von der umfangreichen Kohleverstromung hin zur verstärkten Nutzung von Gaskraftwerken.
Im Vergleich zu Kohlekraftwerken emittieren Gaskraftwerke deutlich weniger THG. Aufgrund ihrer flexiblen Betriebsweise und ihres hohen THG-Reduktionspotenzials sind Gaskraftwerke eine effiziente und optimale Ergänzung zu erneuerbaren Energien und damit ein wertvoller Bestandteil der Energiewende. Da moderne Gaskraftwerke mit ca. 350 Gramm je Kilowattstunde Stromerzeugung nur etwa ein Drittel der THG-Emissionen von älteren Braunkohlekraftwerken (1.200 Gramm je Kilowattstunde) aufweisen (vgl. Abbildung), können durch einen solchen Fuel-Switch 12 Prozent der CO2-Emissionen pro Jahr reduziert werden. Durch einen 100-prozentigen Switch der Stromerzeugung aus Braunkohle in die bestehenden Gaskraftwerke würden mehr als 100 Millionen Tonnen CO2 jährlich eingespart.
Die Emissionen im Stromsektor sind trotz erheblicher finanzieller Förderungen der erneuerbaren Energien (derzeit rund 29 Milliarden Euro pro Jahr) seit der Jahrtausendwende kaum gesunken, weil die Nutzung von Kohlekraftwerken weiterhin einen erheblichen Anteil an der Stromerzeugung einnimmt. Ein Grund dafür ist die Systematik der Zuteilung der Emissionszertifikate. Durch das europaweite Emissionszertifikate-Handelssystem (EU ETS) erhalten Kohlekraftwerke doppelt so viele THG-Zertifikate wie vergleichbare Gaskraftwerke. Eine Lenkungswirkung des Emissionshandels ist durch dieses Vorgehen nicht gegeben. Ein rascher Fuel-Switch von der Kohleverstromung zum verstärkten Einsatz von Gaskraftwerken würde dieses Dilemma ohne zusätzliche Kosten auflösen – ein gesamteuropäischer Konsens für eine effektive ETS-Reform wäre dafür nicht notwendig.
Dabei beruft sich der DVGW auf eine Studie, die am Institut für Elektrische Anlagen und Energiewirtschaft der RWTH Aachen von Prof. Dr. Albert Moser durchgeführt wurde. Moser sollte wissenschaftlich untersuchen, ob die bestehenden Gaskraftwerke die Stromerzeugung aus Braunkohlekraftwerken ersetzen können, ohne die Netzsicherheit zu gefährden und wie sich dies auf die Kohlenstofflast des Stroms in Deutschland auswirken würde. Auf Basis stundenscharfer Verbrauchsdaten und unter Anwendung der bestehenden Marktregeln wurde der Kraftwerkseinsatz im europäischen Strommarkt simuliert und die Auswirkungen auf die Netzsicherheit im Jahr 2020 ermittelt. Die Annahmen über zukünftige Entwicklungen basierten auf der realen Last- und EE-Einspeisesituation des durchschnittlichen Wetterjahres 2012 und deren Extrapolation auf das Jahr 2020, auf den weiteren Stromnetzausbau gemäß Netzentwicklungsplan sowie den dann noch spezifisch verbleibenden bzw. zugebauten Erzeugungskapazitäten.
Dabei stellte sich – ähnlich der heutigen Situation – eine eher geringe Auslastung der Gaskraftwerke und eine vorrangige Beschäftigung der leicht kostengünstigeren aber auch klimaschädlichen Braunkohle ein. In weiteren Analysen wurde der Braunkohleeinsatz ausgeschlossen. Es zeigte sich, dass die Gaskraftwerke bei einem unterstellten nationalen Fuel Switch in der Lage waren, die dabei generierte Erzeugungslücke vollständig zu schließen – und zwar ohne Zubau neuer Gaskraftwerkseinheiten, allein durch die höhere Auslastung der sehr homogen im Bundesgebiet verteilten Anlagen. Dabei bleibt eine Netzreserve vorzuhalten, die insbesondere auch die heute hierfür genutzten Gaskraftwerke ersetzen muss. Eine noch detaillierter zu prüfende Option könnte die Überführung von Braunkohlekraftwerken in die Netzreserve sein, die dann mit einer Stromerzeugung von etwa 3,6 TWh/a abgerufen würden. Im Vergleich dazu liefert die Braunkohle heute noch ca. 130 TWh/a.
Durch den deutlich geringeren Kohlendioxidausstoß der Gaskraftwerke wurde so eine jährliche Gesamtemissionsminderung von ca. 70 Millionen Tonnen CO2 ermittelt. Dabei wurde der Braunkohle im Mittel eine Emission von 1.000 Gramm pro erzeugter kWh zugeschrieben, während für Gaskraftwerke bei gleichem Output etwa 350 Gramm unterstellt wurden. Die jährlichen volkswirtschaftlichen Mehrkosten beim favorisierten Erdgaseinsatz zur Stromerzeugung von 3,5 Milliarden Euro ergaben sich aus den höheren Brennstoffkosten, schlossen auch den Redispatchbedarf, aber nicht die Vorhaltung einer Netzreserve mit ein.
„Mit dieser Studie konnten wir einen technisch-fundierten Anhaltspunkt liefern, in welcher Größenordnung der Klimabeitrag von Erdgas allein durch die verbesserte Auslastung bestehender Gaskraftwerke liegt und wie hoch die spezifischen CO2-Vermeidungskosten im Wettbewerb mit anderen Alternativen ausfallen. Das ist aber nur ein Baustein unseres Gesamtkonzepts, des Energie-Impulses", so der Vorstandsvorsitzende des DVGW, Prof. Dr. Gerald Linke.
G 201737: Bewertung der Netzsicherheit bei einem „Fuel Switch“ von Braunkohle zu Erdgas in Deutschland in 2020
Um den Fuel-Switch zu vollziehen und somit die Klimaschutzziele zu erreichen, bedarf es aus Sicht des DVGW: