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19. Februar 2024

DVGW fordert Entschlusskraft für eine echte Energie- und Wasserwende

Jahresauftakt-Pressekonferenz des DVGW

Die Energieversorgung in Deutschland lässt sich in Zukunft nur sicherstellen, wenn Wasserstoff die fossilen Energieträger Kohle, Erdgas und Erdöl ersetzt. Diesen Transformationsprozess klimaneutral zu gestalten, führt die Bundesregierung im Koalitionsvertrag als eines ihrer wesentlichen Ziele auf. In seiner heutigen Jahresauftakt-Pressekonferenz hat der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW) zur Mitte der Legislaturperiode eine Halbzeitbilanz über die Arbeit der Ampelkoalition beim Wasserstoffhochlauf gezogen. 

„Wenn SPD, Grüne und FDP ihr erklärtes Ziel, Deutschland bis 2030 zum Leitmarkt für Wasserstofftechnologien zu entwickeln, erreichen möchten, müssen sie enorm an Tempo zulegen. Positiv bewerten wir, dass insbesondere mit der Nationalen Wasserstoffstrategie die Grundlagen für den Einsatz klimaneutraler Gase gelegt wurden. Daran gilt es jetzt anzuknüpfen“, so Prof. Dr. Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender des DVGW. 

Nachholbedarf bei Wasserstoff-Regulatorik

Nicht zufrieden ist der Verband mit den gesetzlichen Rahmenbedingungen, denen es nach Auffassung von Verbandschef Linke noch an Klarheit bei der Regulatorik und dem Abbau von Hemmnissen mangelt: „Es sind die Unternehmen, und damit viele unserer Mitglieder, die eine Wasserstoffwirtschaft errichten und die notwendige Infrastruktur zur Verfügung stellen. Investiert wird nur, wenn Prozesse beschleunigt werden und Verbindlichkeit besteht. Dies wird besonders beim Blick auf den schleppenden Fortschritt bei Planung und Ausbau der Verteilnetze deutlich.“ Im Prozess der Umsetzung und der Erstellung des Regelwerks zum H2-Hochlauf ist der DVGW als der Regelsetzer für Wasserstoff unverzichtbar. Den Ausbau der Infrastrukturen für Transport und Verteilung von Wasserstoff zu beschleunigen und auf die Verteilnetzebene auszudehnen, ist nach Auffassung des DVGW ebenso wichtig, wie das von der Bundesregierung vorangetriebene Wasserstoff-Kernnetz. Beides dient demselben Ziel: Den Zukunftsenergieträger in die Fläche zu bringen und für Industrie, privaten Wärmemarkt und mittelständische Unternehmen nutzbar zu machen.

Verteilnetzbetreiber bei Kernnetz-Planung einbeziehen

Darüber hinaus müssen beim Wasserstoff-Kernnetz die Verteilnetzbetreiber stärker als bisher und in formalisierter Form in die Planung einbezogen werden. Der vom DVGW und weiteren Partnern in der Initiative H2vorOrt entwickelte Gasnetzgebietstransformationsplan (GTP) bietet hierfür das lokale Pendant für die zentrale Kernnetzplanung, für die Umsetzung der Transformation in Wärmeplänen vor Ort sowie für Industriestrukturen. Dieses Potenzial sollte die Bundesregierung in der zweiten Hälfte der Legislatur nutzen. Der DVGW steht als Partner bereit, um die Transformation des Energiesystems in Deutschland voranzubringen und Wasserstoff über die Gasverteilnetze für alle nutzbar zu machen.

Kraftwerksstrategie

Als ersten Schritt in die richtige Richtung bewertet Gerald Linke die in der Einigung zur Kraftwerksstrategie von der Bundesregierung vorgesehenen Ausschreibungen von H2-ready Gaskraftwerken. Er erklärt: „Die Kapazität von viermal 2,5 GW sollte voll ausgeschöpft werden. Zukünftig werden wir jedoch weitere H2-ready Gaskraftwerke benötigen. Andernfalls wären der Ausstieg aus der Kohleverstromung sowie die Versorgungsicherheit gefährdet.“ Dass Planungs- und Genehmigungsverfahren für die Kraftwerke beschleunigt werden und Hemmnisse bei Bau und Betrieb von Elektrolyseuren abgebaut werden sollen, ist ebenfalls positiv.

Wasserstoff-Import und Grüngasquote

Laut Studien werden die europäischen Erzeugungspotenziale im Jahr 2030 zwar den Wasserstoff-Bedarf noch übersteigen, langfristig sind aber Importe aus anderen Regionen der Welt notwendig. Daher ist es gut und richtig, dass Wirtschaftsminister Habeck in den vergangenen Monaten regelmäßig Bezugsquellen und Partner sondiert hat und sich mit relevanten Lieferländern austauscht. Für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft mit Investitionen in die Produktion sowie interkontinentalem Handel und Import-Export-Strukturen sind jedoch noch einige Hürden zu nehmen. Auf regulatorischer Seite gehört dazu auch die Einführung einer Grüngas-Quote. Diese sollte die Versorgungsunternehmen dazu verpflichten, emissionsfreie gasförmige Energieträger mit Jahr für Jahr steigenden Anteilen einzusetzen.  

Öffentliche Wasserversorgung braucht die Wasserwende

In Zeiten des Klimawandels rückt auch die Resilienz der Wasserversorgung in den Fokus der öffentlichen Betrachtung. Rasch zunehmende Erwärmung, steigende Niederschlagsmengen, verbreitete Bodentrockenheit und deutlich mehr Wetterextreme fordern die Systeme der öffentlichen Wasserversorgung heraus. Dazu gehört die Anpassung von Anlagen und Netzen an vermehrte Reinigungsaufgaben und höhere Spitzenabgaben, die Schaffung zusätzlicher Speicherkapazitäten oder eine stärkere Vernetzung der Infrastrukturen. „Die Wasserversorger haben in den letzten Jahren bewiesen, dass sie die Versorgung auch unter neuen klimatischen Vorzeichen sicherstellen können. Für die Zukunft brauchen wir dafür eine Wasserwende. Wasserwende heißt, die Politik muss schnellstens die rechtlichen, personellen und finanziellen Voraussetzungen für die zukunftsfähige Aufstellung der Branche schaffen. Und die Gesellschaft muss dem Wasser eine hohe Wertschätzung entgegenbringen“, erklärt Dr. Wolf Merkel, Vorstand des DVGW, anlässlich der Jahresauftakt-Pressekonferenz des Vereins in Berlin.

Wenn in Hitze- und Trockenphasen der Wasserbedarf der Bevölkerung steigt und die Landwirtschaft erhöhten Beregnungsbedarf hat, stoßen heutige Wasserversorgungssysteme an ihre Grenzen. Zur Sicherstellung der öffentlichen Wasserversorgung muss die Infrastruktur für den Ausgleich zwischen regionalen Überschuss- und Mangelgebieten ertüchtigt und ausgebaut werden. Wasserwiederverwendung (Reuse) kann in Teilbereichen helfen, wird aber nicht ausreichen. Wolf Merkel erklärt: „Die sachgerechte Wasserwiederverwendung kann die Ressourcen in einigen Regionen entlasten. Vorsorgender Gewässerschutz mit der Verantwortung für kommende Generationen gebietet aber, dass das gereinigte Abwasser nicht in Wasserschutzgebieten oder Einzugsgebieten von Wassergewinnungsanlagen eingesetzt wird. Dort müssen weiterhin besondere Qualitätsnormen für die Trinkwasserressourcen gelten.“

Deren Qualität wird fortgesetzt von chemischen Stoffen, insbesondere Einträgen chemischer Pflanzenschutzmittel, beeinträchtigt. Wolf Merkel betont: „Wir erwarten, dass das vom Bundeslandwirtschaftsministerium schon lange angekündigte nationale Pestizidreduktionsprogramm wirksame Maßnahmen für den vorsorgenden Schutz der Trinkwasserressourcen beinhaltet. Der Landwirtschaft kommt hierbei eine besondere Verantwortung zu.“ Das gilt auch beim Düngen. Nach Auffassung des DVGW fehlt im aktuellen Düngerecht ein Wirksamkeitsmonitoring zur Bewertung des Nutzens der Verordnung für die Umwelt. Auch die Stoffstrombilanzverordnung ist mit ihren viel zu hohen Obergrenzen unzureichend. „Die nach wie vor viel zu hohen Nitrateinträge in die Wasserressourcen können nur gestoppt werden, wenn die zulässigen Düngemengen für die landwirtschaftlichen Betriebe deutlich abgesenkt werden“, erklärt Wolf Merkel. Ebenfalls problematisch für die Wasserversorger sind toxikologisch relevante PFAS, sogenannte Ewigkeitschemikalien, die in vielen Bereichen verwendet werden. „PFAS gehören definitiv nicht ins Wasser. Die Herstellung und Anwendung von PFAS muss auf wenige essenzielle Zwecke beschränkt sein. Ziel muss eine Vermeidung dieser Stoffe bereits an der Quelle der Verschmutzung sein“, fordert Wolf Merkel.

Für eine langfristig sichere Daseinsvorsorge, für ökologisch intakte Gewässer und für eine weiterhin hohe Lebensqualität in Deutschland müssen Wasserversorger, Kommunen, Politik, staatliche Organisationen sowie Wassernutzer gemeinsam die Wasserwende schaffen. Den Zielkurs dorthin beschreibt die Roadmap Wasserwirtschaft 2030 von DVGW und DWA, eine strategische Handlungsagenda mit praxisnahen Maßnahmen. Sie wurde Ende 2023 der Öffentlichkeit vorgestellt und dient zur Flankierung der Nationalen Wasserstrategie des BMUV und diversen Wasserprogrammen der Bundesländer. In vier regionalen Fallstudien in Hamburg, Stuttgart, Magdeburg und Franken wurden zudem konkrete Maßnahmenprogramme zur Umsetzung der Wasserwende vor Ort entwickelt, als Modelle für die bundesweite Umsetzung. 

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Hauptgeschäftsstelle, Standort Berlin / Ordnungspolitik, Presse und Öffentlichkeitsarbeit
Telefon+49 30 79 47 36-64
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Hauptgeschäftsstelle / Ordnungspolitik, Presse und Öffentlichkeitsarbeit
Telefon+49 228 91 88-609

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